Leserbrief Wolfgang Stein (5.10.2013)

Zeit zum Umsteuern

Zur Doppel-Ausschusssitzung von Bau- und Finanzausschuss zum Opel-Forum (Bericht im Echo vom1./2. Oktober):

Dass es zeitweise emotional hoch herging, verwundert nicht. Die Abrisspläne für das Opel-Altwerk treffen viele Rüsselsheimer ins Mark.

Äußerlich emotionslos blieb Frank Bornmann vom Beratungsunternehmen Drees und Sommer. Für ihn bleibt das Projekt ergebnisoffen. Im Bericht seines Hauses klingt das anders. Dieser gibt mehr oder minder „Grünes Licht“ für die Weiterverfolgung der Einkaufsmeile. Und im Fazit wird dann die unselige Eigenlogik dieser Empfehlung klar: Es wird immer schwerer, die Notbremse zu ziehen, weil sich weitere Ausgaben anhäufen und weil man mehr Erfolgsdruck aufbaut.

 

Angesichts dieses Drucks ist es mutig, dass auch Parlamentarier von SPD und Grünen der Vorlage zur Weiterverfolgung des Projekts die Zustimmung verweigern. Beide Fraktionen standen bisher geschlossen hinter dem Einkaufszentrum. Warum eigentlich? Die SPD müsste doch instinktiv ein einzigartiges Zeugnis der industriellen Arbeitwelt, in der sie ihre Wurzeln hat, bewahren wollen. Die Grünen müssten erkennen, dass das Areal wie geschaffen ist für eine bunter werdende Stadtgesellschaft, für Kreativwirtschaft und Dienstleistungen des Informationszeitalters. Und auch die Konservativen sollten doch ein natürliches Interesse daran haben, ein denkmalgeschütztes Bauensemble zu erhalten, noch dazu, wenn es großes Potenzial für die weitere Stadtentwicklung hat.

Es gibt keinen Grund jetzt an die Unverwundbarkeit eines neuen Einzelhandelsprojekts zu glauben, das sich zwar nach außen hin mit ein paar historischen Backsteinen schmückt, sich aber letztlich in nichts von den ewig gleichen Shopping Malls unterscheidet, mit denen die Republik derzeit überzogen wird.

Dabei ist es schon fast nebensächlich, dass die geplante Verkehrsführung durch die Innenstadt haarsträubend und die prognostizierte Kundenzahl zu gering für einen dauerhaften Erfolg ist.

Rüsselsheim täte gut daran, weniger auf externe Berater und mehr auf den Sachverstand des langjährigen Museumsleiters und ausgewiesenen Experten Peter Schirmbeck zu hören. Vergegenwärtigen wir uns, dass wir es beim Opel-Altwerk mit dem wahrscheinlich wichtigsten historischen Industrieensemble Hessens zu tun haben, wird klar, dass wir umsteuern müssen. Dafür gibt es keinen Masterplan. Aber auch um das etwa gleich große Gelände der ebenfalls denkmalgeschützten Berliner Kulturbrauerei und um Industrieobjekte wie die Zeche Zollverein und die Völklinger Hütte (beide UNESCO-Weltkulturerbe) wurde lange hart gerungen. Heute sind sie nicht mehr wegzudenken.

Wolfgang Stein
Donaustr.16
65428 Rüsselsheim

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